Vorträge & Tagungen

Fahrradweg auf Eisenbahntrasse nach Dassow / Meckl.

Sie hätte den Titel „Schönste Fahrrad-Tour“ verdient: Das Radwandern auf der stillgelegten Eisenbahn-Strecke zwischen Schönberg, Dassow und Pötenitz im Nordwesten von Mecklenburg ist ein reizvolles Ziel für Industriearchäologen und Naturfreunde gleichermaßen. Denn von der Bahn blieben viele Relikte übrig und die knapp 14 Kilometer lange Trasse führt mitten durch das Naturschutzgebiet der Maurine und Stepenitz. Sie ist Teil des Radfernweges Nr. 9 (deutsch-deutsche Grenze) und ergibt mit der Ergänzung über den Priwall nach Travemünde (und von dort per Bahn nach Schönberg) eine nette Tagestour. Am Ortsrand von Schönberg ist die Situation grotesk: In landschaftlich idyllischer Lage überqueren drei Brücken die urwald-ähnliche Niederung der Maurine. Nur selten kommt ein Mensch hierher, doch ständig dröhnt der Autoverkehr von der ersten Brücke, der neuen Schönberger Ortsumgehung. Daneben queren die Züge der Eisenbahnstrecke Lübeck-Bad Kleinen auf einer Dreibogen-Brücke aus Ziegeln den Fluss. Dieses Bauwerk wurde einst für die Stichbahn nach Dassow gebaut, meint Sven Schiffner aus Grevesmühlen, Autor des Buches „Ruinen am Rande – Eisenbahn- und Militärgeschichte zwischen Dassower See und Halbinsel Priwall“ (Nordwestmedia Verlagsgesellschaft). Die dritte Brücke dagegen hat keine Funktion mehr. Dieser gelungen gestaltete Bau aus Natursteinen trug ursprünglich die Gleise der 1870 eröffneten Eisenbahn zwischen Lübeck und Bad Kleinen.

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Zu erreichen ist das Ensemble über die Straße von Schönberg nach Klein Bünsdorf: Gleich hinter der Brücke über der Ortsumgehung biegen Wanderer links ein, fahren zu den genannten Maurine-Brücken in das Tal hinab oder biegen auf halber Höhe rechts auf die alte Bahntrasse ein. 1951 war diese Strecke kurzfristig stillgelegt worden. Die Gleise wurden demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion geschafft. Die Trasse wurde kaum bebaut, so dass der acht Kilometer lange Teil bis Dassow seit 2001 als Wanderweg in Betrieb ist. Aufwendig war vor allem der Neubau einer Wegbrücke über die Stepenitz. Der neue Überbau ruht auf den Widerlagern der in den 1980er Jahren demontierten Bahnbrücke. An dieser Stelle fasziniert die Natur. Nur der Bahndamm ist befestigt. Ringsherum ist ein Niederungsgebiet mit der langsam in die Maurine fließenden Stepenitz. Viele seltene Tier- und Pflanzenarten lassen sich in dieser Einsamkeit entdecken. Selbst am ehemaligen Haltepunkt Prieschendorf und am Bahnhof Groß Bünsdorf gibt es kaum Menschen, dafür aber viele Relikte der Bahn. Südlich von Prieschendorf quert eine Feldsteinbrücke einen großen Bach, in Groß Bünsdorf stehen noch – scheinbar vergessen – das alte Stationsgebäude versteckt zwischen Bäumen und die ehemalige Gastwirtschaft gegenüber an der Dorfstraße.

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In Dassow sind außer der Trasse mit der etwa 1938 erbauten Bahnbrücke über der Bundesstraße 105 auch das große Empfangs gebäude des Bahnhofes erhalten. Außerdem steht in der Nähe des Klärwerkes eine eindrucksvolle Wegbrücke über der Bahntrasse. Sie führt auf einen Acker, ist gesperrt und hat damit keine Funktionmehr. Nach Angaben der Stadt aber ist sie standsicher und soll deshalb stehen bleiben.

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Als seltenes Beispiel für eine frühe Eisenbeton-Brücke hat das vermutlich um 1905 errichtete Bauwerk ohnehin Denkmalwert.1905 hatte die Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn (MFFE) nach langem politischen Gerangel zwei Stichbahnen in den Klützer Winkel in Betrieb genommen: die Bahn von Grevesmühlen nach Klütz und die Bahn von Schönberg nach Dassow. Es waren typische Kleinbahnen mit lokaler Bedeutung, die angesichts der von moderner Landwirtschaft geprägten Region aber durchaus ihre Bedeutung hatten. Auf der 8,5 Kilometer langen Strecke nach Dassow dürfte sich ein bescheidener Personenverkehr mit etwa drei Zugpaaren täglich und ein saisonal stark schwankender Güterverkehr entwickelt haben, meint Schiffner. Immerhin sei schon 1917 im Bahnhof Dassow ein zweites Ladegleis geplant worden.Eine große Bedeutung bekam die Strecke mit dem Bau des Zeugamtes der Luftwaffe in Pötenitz in abgeschiedener Lage direkt am Wasser der Pötenitzer Wiek. Von etwa 1936 bis 1938 entstanden hier fast 50 große Lagergebäude, Hallen, Bunker, Unterkünfte, Heizwerk, eine Werft und Rangiergleise mit einer Länge von fast neun Kilometern. Von Vorteil war die Nachbarschaft zur Erprobungsstelle der Luftwaffe auf dem zu Travemünde gehörenden Priwall. Versorgt wurde das Zeugamt über die ausgebaute Straße Dassow-Pötenitz und die parallel dazu verlegte, etwa fünf Kilometer lange Eisenbahn. Die unter Regie der Reichsluftwaffe gebaute Bahn aber diente nicht nur dem Zeugamt, sondern zu einem geringen Teil auch dem Transport von landwirtschaftlichen Produkten der Güter Pötenitz und Johannstorf. Insgesamt gab es nun einen lebhaften Betrieb. Pro Jahr wurden auf dieser Strecke etwa 25.000 Personen- und Güterwaggons bewegt, fand Sven Schiffner heraus. Die etwa 300 Beschäftigten des Zeugamtes wurden mit zwei Personenzügen täglich zur Arbeit gebracht. Insgesamt gab es 1943 etwa 22 Zugfahrten pro Tag, mehr als doppelt so viel wie auf der „Schwester“-Strecke Grevesmühlen-Klütz, resümiert der Autor. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war damit Schluß: Das Zeugamt wurde demontiert und von den Sowjets im Sommer 1947 gesprengt, möglicherweise nur wegen eines Mißverständnisses, meint Schiffner. Denn beim Übersetzen von Unterlagen sei aus dem demontierten Luftwaffen-Zeugamt ein (militärisch wichtiger!) Flugplatz geworden. Damalige Pläne des Schweriner Innenministeriums, die Anlage als Eisenbahn-Werkstatt, Landwirtschaftsschule und Schiffswerft zu nutzen, hatten sich damit erledigt. Heute wird dieses 53 Hektar große Ruinengelände von großen Sträuchern und Bäumen überwuchert. Es beginnt dort, wo die Straße nach Pötenitz nach einer Steigung eine S-Kurve über eine Betonbrücke macht: Darunter fuhr einst die Luftwaffen-Bahn ins Zeugamt. Doch es hatte noch eine Außenstelle in Dassow-Vorwerk ebenfalls mit Gleisanschluss. Hier sind die Gebäude erhalten geblieben, werden als Lager genutzt und dokumentieren so unverändert einen wesentlichen Teil der Dassower Eisenbahn-Geschichte.

Sven Bardua, Hamburg (Stand: Juni 2004)

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