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Bochum: Oberschlesien und Ruhrgebiet im Vergleich historischer Karten. Wie aus Dörfern Metropolen wurden

Wie Industrie die Landschaft verändert, kann man sich ab sofort online anschauen, im Vergleich zwischen preußischen und aktuellen Karten. Vom ländlichen Dorf zur Großstadt in wenigen Jahrzehnten – diese Entwicklung hat nicht nur das Ruhrgebiet durchlaufen, sondern auch das Oberschlesische Industriegebiet in Polen. Forscherinnen und Forscher beider Länder haben ein kartografisches Web-Tool entwickelt, mit dem sich die Veränderung der Landschaft durch die Industrie vergleichend betrachten lässt. Dabei konnten sie für beide Regionen auf preußische Landkarten aus dem 19. Jahrhundert zurückgreifen, da Polen zu dieser Zeit zum großen Teil unter preußischer Herrschaft stand. „Eine Fundgrube“, so Prof. Dr. Frank Dickmann von der Arbeitsgruppe Geomatik der Ruhr-Universität Bochum (RUB)…

Seit 200 Jahren im Wandel

Bergbauregionen haben seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert eine umfassende Umgestaltung ihrer Kulturlandschaft erfahren. „Kennzeichnend sind vor allem massive Verstädterungsprozesse, die sich innerhalb weniger Jahrzehnte vollzogen“, erläutert Frank Dickmann. Im Vergleich zu den Nachbarregionen erlebten Oberschlesien und das Ruhrgebiet einen rasanten wirtschaftlichen und sozialräumlichen Wandel. Beide Räume zählen zu den bevölkerungsreichsten Regionen ihrer Länder. Und bis heute werden die Metropole Ruhr und der Oberschlesische Metropolverband von den Folgen der Industrialisierung und den Bestrebungen zur ökonomischen Umstrukturierung geprägt.

„Vertiefte Kenntnisse über solche Transformationsprozesse sind die Grundlage für zukunftsfähige Planungskonzepte“, ist Frank Dickmann überzeugt. Mit dem interaktiven Web-Tool, das seine Arbeitsgruppe gemeinsam mit dem Team von Prof. Dr. Beata Medynska-Gulij von der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan entwickelt hat, lassen sich die räumlich wirksamen Transformationsprozesse in beiden Industriezentren visualisieren und miteinander vergleichen. Die Basis bildet die systematische Auswertung topografischer Karten über mehrere Zeitschnitte hinweg. „Vor allem mit Blick auf den Siedlungs- und Straßenausbau zeigen sich parallele Entwicklungen in beiden Regionen, die für die Entstehung der heutigen Kulturlandschaft entscheidend sind“, so Dickmann. „Dadurch können wir die weitreichenden sozialräumlichen und ökonomischen Umstrukturierungen besser verstehen, denen beide Regionen seit der Industrialisierung unterworfen waren.“

Historische Karten als Quelle

Für das Projekt waren vor allem die Karten der preußischen Uraufnahme wertvoll, die sogenannten Urmesstischblätter aus dem frühen 19. Jahrhundert. Sie sind ein einzigartiges Kartenarchiv, das das Territorium des gesamten damaligen Staats Preußen umfasste und bisher kaum in historisch-kultureller und sozioökonomischer Hinsicht ausgewertet worden ist. Zur Zeit seiner Erstellung ab 1822 standen weite Gebiete des heutigen Polens unter preußischer Herrschaft. Sowohl das Ruhrgebiet als auch Oberschlesien waren daher Teil einer einheitlich topografischen Landesaufnahme. „Dadurch steht uns für diese Räume ein grenzübergreifendes und vergleichsweise exaktes historisches Kartenwerk zu Verfügung“, so Frank Dickmann. Daran lässt sich das Ausmaß der landschaftlichen Veränderungen als Folge des Siedlungsausbaus, der Schaffung von Industrie- und Verkehrsinfrastruktur, des Rückgangs landwirtschaftlich genutzter Flächen erstmals genau beziffern. Auch ermöglichen es die Karten, vergangene Landschaftsf ormen zu rekonstruieren. Dadurch kann man heutige landschaftliche Entwicklungen und Pläne vor dem Hintergrund des historischen Zustands bewerten.

Für die Georeferenzierung der Kartenblätter und die systematische Inventarisierung topografischer Raumelemente nutzten die Forscher Geoinformationssysteme (GIS). Dank der aufwendig digitalisierten einzelnen Informationsschichten der alten Karten sind detaillierte kulturlandschaftliche Raumanalysen möglich.

Förderung

Das Projekt wurde gefördert von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung. Unterstützung erhielt es durch den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichteten Fachinformationsdienst Karten der Kartenabteilung der Staatsbibliothek Berlin. Die Untersuchung von Wirkungszusammenhängen, die zur Herausbildung städtischer Strukturen führen, ist eingebettet in den langjährigen Forschungsschwerpunkt „Transformation urbaner Landschaften“ des Geographischen Instituts der RUB.

Originalveröffentlichungen

Beata Medynska-Gulij, Dariusz Lorek, Nils Hannemann, Pawel Cybulski, Lukasz Wielebski, Tymoteusz Horbinski, Frank Dickmann: Die kartographische Rekonstruktion der Landschaftsentwicklung des Oberschlesischen Industriegebiets (Polen) und des Ruhrgebiets (Deutschland), in: KN – Journal of Cartography and Geographic Information, 2019, DOI: 10.1007/s42489-019-00018-y

Dariusz Lorek, Frank Dickmann, Beata Medynska-Gulij, Nils Hannemann, Pawel Cybulski, Lukasz Wielebski, Tymoteusz Horbinski: Die kulturlandschaftliche Entwicklung polnischer und deutscher Industriezentren, Bogucki Wydawnictwo Naukowe, Bochum, Poznan 2018, 96 Seiten, ISBN 9788379861958

Angeklickt

Ein Teil der Ergebnisse steht in Form interaktiver Karten online zu Verfügung. Dort können Nutzer sich Karten in beliebigem Maßstab synchron in zwei Fenstern ansehen und selbständig recherchieren. Mehrsprachige Kommentare zu den Karten erlauben nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sondern auch Interessierten einen komfortablen Zugang: http://cartolandscape.amu.edu.pl/

Kompetenzfeld Metropolenforschung

Das Projekt ist Teil des Kompetenzfeldes Metropolenforschung der Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr). Seit 2007 arbeiten die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dortmund und die Universität Duisburg-Essen unter dem Dach der UA Ruhr strategisch eng zusammen. Durch Bündelung der Kräfte werden die Leistungen der Partneruniversitäten systematisch ausgebaut. Unter dem Motto „gemeinsam besser“ gibt es inzwischen über 100 Kooperationen in Forschung, Lehre und Verwaltung. Mit mehr als 120.000 Studierenden und nahezu 1.300 Professorinnen und Professoren gehört die UA Ruhr zu den größten und leistungsstärksten Wissenschaftsstandorten Deutschlands.

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