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Leipzig: Tag der Stadtgeschichte: Industrialisierungsprozesse und Industriekultur

Leipzig vollzog in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Metamorphose von einer stark durch den Handel geprägten Mittelstadt hin zur industrialisierten Großstadt, in der dem Handel gleichwohl große Bedeutung zukam. Vor allem seit den 1860er Jahren nahm die gewerbliche Produktion einen Aufschwung und brachte eine vielgestaltige, blühende Industrie hervor. Die Stadt war nach der Wende zum 20. Jahrhundert das Zentrum der mitteldeutschen Industrieregion und zählte zu den bedeutendsten Industriestädten des Deutschen Reiches. 1914 lag sie in der Zahl der Großbetriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten an zweiter Stelle hinter Berlin. Da Leipzig weiterhin ein national und international bedeutsamer Messeplatz war, wies es vor dem Ersten Weltkrieg den Doppelcharakter einer bedeutenden Industrie- und Handelsstadt auf – in dieser Gleichzeitigkeit wohl einzigartig in Europa. Leipzig besaß zudem als Universitätsstadt einen beträchtlichen Ruf…

Der vom 19. bis 20. Oktober 2018 stattfindende Tag der Stadtgeschichte thematisiert Industrialisierungsprozesse und Industriekultur in Leipzig. Er nimmt nicht nur den rasanten Aufstieg des Industriestandortes Leipzig im Kaiserreich in den Blick, sondern fragt angesichts des reichen vor- und frühindustriellen gewerblichen Erbes auch nach den Anfängen und den Voraussetzungen, nach Kontinuitäten und Brüchen auf dem Weg ins Industriezeitalter. Ebenso gilt dem weiteren Schicksal der Leipziger Industrie im 20. Jahrhundert, dem „Zeitalter der Extreme“ (E. Hobsbawn), das Interesse und insbesondere den Folgen und Wirkungen mehrfacher politischer Systemwechsel.

Der Tag der Stadtgeschichte setzt sich aus einer wissenschaftlichen Tagung und einem populärwissenschaftlichen Begleitprogramm zusammen. Er richtet sich gleichermaßen an Fachhistoriker/innen und Geschichtslehrer/innen wie an historisch interessierte Laien und trägt damit vielfältigen Interessen an der Auseinandersetzung mit Geschichte Rechnung.

Wichtigstes Ziel der wissenschaftlichen Tagung ist es, in Vorbereitung der 4. Sächsischen Landestaustellung 2020 zum Thema „Industrie.Kultur.Mensch“ sowie des sächsischen „Jahres der Industriekultur“ den wissenschaftlichen Diskurs zum Industriestandort Leipzig zu intensivieren, neue wirtschaftsgeschichtliche Forschungen anzuregen und gewonnene Erkenntnisse in die Beschäftigung mit dem Landesthema Industriekultur einzubringen. Denn obgleich zur Geschichte einzelner Leipziger Industrieunternehmen und -unternehmer eine kaum überschaubare Fülle an hagiografisch gefärbten Darstellungen existiert, fehlt es an neueren Studien mit wissenschaftlichem Anspruch, die moderne Fragestellungen und Theorieangebote zur Unternehmensgeschichte und zur Geschichte der Industrialisierung aufgreifen. Das gilt sowohl im Hinblick auf fundierte Branchengeschichten als auch für die Erforschung einzelner Unternehmen, sei es als mikroökonomische Akteure, als soziale Interaktionsfelder, als kulturschaffende Institutionen oder als politische Akteure. Und es betrifft sowohl die Erforschung des langen Weges zur zentralisierten maschinellen Großproduktion, der in Leipzig mit der frühen Ansiedelung von Manufakturen begann, als auch der Bedingungsfaktoren internationaler Konkurrenzfähigkeit einer Reihe von Leipziger Unternehmen des Maschinen-, Werkzeugmaschinen-, Musikinstrumente- und Apparatebaus, der polygrafischen Gewerbe, Rauchwarenveredelung und chemischen Industrie, die am Ende des 19. Jahrhunderts und im Laufe des 20. Jahrhunderts mit innovativen Produkten erfolgreich auf globalen Märkten konkurrierten. Zudem stehen angesichts sozialer Verwerfungen und der in Leipzig bis 1933 starken Sozialdemokratie, Gewerkschafts- und Frauenbewegung Fragen und Probleme der Ausgestaltung der Arbeitsverfassung und weiblicher Erwerbsarbeit, betrieblicher Sozialpolitik und unternehmerischer Gemeinwohlorientierung auf der Forschungsagenda.

Zu den Zielen des Begleitprogramms gehören sowohl die Förderung von Identifikationsangeboten als auch von Kritikfähigkeit durch die Vermittlung von Wissen über den Leipziger Weg in die Industriegesellschaft und über die spezifischen Stärken des Industriestandorts Leipzig, die Förderung des Interesses an Wissenschaft, Technik und Industriekultur im nicht abgeschlossenen Industriezeitalter, die Diskussion neuer Herausforderungen des digitalen Zeitalters und der Bedeutung von Bildung, Kreativität und Ideenaustausch, aber auch das Votieren für soziale Gerechtigkeit. Über die Beschäftigung mit Industriekultur im Freistaat Sachsen sollen sonst weitgehend isoliert voneinander agierende Gruppen vernetzt werden. So werden am Abend des ersten Veranstaltungstages im Kunstkraftwerk Lindenau, einem konkreten Zeugnis von Transformation, zeitgemäße Vermittlungsmöglichkeiten der historischen Dimension industriekulturell bedeutender Orte erlebbar gemacht.

Programm

Freitag, 19.10.2018

Veranstaltungsort: Neues Rathaus Leipzig, Ratsplenarsaal, Martin-Luther-Ring 4-6, 04109 Leipzig
(S-Bahn: S1, S2, S3, S4, S5, S5X, S6 bis Wilhelm-Leuschner-Platz, Tram: Linien 2, 8, 9 bis Neues Rathaus, Linien 10, 11 bis Wilhelm-Leuschner-Platz, Bus: Linie 89 bis Neues Rathaus)

Begrüßung

10:00 Uhr
Ulrich Hörning, Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung
Susanne Schötz, Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (TU Dresden)
Beate Berger, Vorsitzende des Leipziger Geschichtsvereins e.V.

Panel I: Industrialisierungsprozesse in Leipzig

10:15 Uhr – Grundlagen des Industrialisierungsprozesses im 18. und frühen 19. Jahrhundert (Markus A. Denzel)

10:45 Uhr – Grundlagen des Industrialisierungsprozesses im 19. und frühen 20. Jahrhundert (Susanne Schötz)

11:15 – 11:45 Uhr
Pause

Panel II: Entwicklungsfaktor Industrie: der Standort Leipzig

11:45 Uhr – Industriefinanzierung und Industriekultur. Leipziger Banken im Industrialisierungsprozess. (Andreas Graul)

12:15 Uhr – Eine andere Geschichte der „Runden Ecke“: Leipzig als Zentrum der sächsischen Gasversorgung (Rainer Karlsch)

12:45 Uhr – Leipzigs moderne Trinkwasserversorgung im 19. Jahrhundert (Claudia Hamberger)

13:15 – 14:30 Uhr – Mittagspause

Panel III: Modernisierung, Wettbewerb und Innovation

14:30 Uhr – Modernisierungsschübe im Buchhandel, Buchgewerbe und polygrafischen Maschinenbau Leipzigs 1850 – 1914 (Thomas Keiderling)

15:00 Uhr – Der Leipziger Musikinstrumentenbau im 19. Jahrhundert – Organisationsformen, Produktion und Personal im Wandel (Josef Focht)

15:30 – 15:45 Uhr – Pause

15:45 Uhr – Der Bau von Personenseilbahnen Typ Bleichert-Zuegg zwischen den beiden Weltkriegen – eine internationale Erfolgsgeschichte (Manfred Hötzel)

16:15 Uhr – Die Konsumzentrale in Leipzig – architektonisches Flaggschiff auf dem Weg nach Hamburg (Bernd Sikora)

16:45 – 18:00 Uhr – Pause

Abendprogramm

Veranstaltungsort: Kunstkraftwerk, Saalfelder Straße 8, 04179 Leipzig
(S-Bahn: S1 bis S-Bahnhof Plagwitz, Tram: Linie 14 bis S-Bahnhof Plagwitz, Linien 8, 15 bis Lindenau Bushof, Bus: 60 bis S-Bahnhof Plagwitz, 60, 80 bis Lindenau Bushof)

18:00 Uhr – Industriegeschichte zum Leben erweckt – Führung und Performance (Matthias Wießner und Markus Löffler)

19:00 Uhr – Ohne Großstadt keine Industrie – ohne Industrie kein Wohlstand (Franz Mathis)

19:45 Uhr – Empfang

Samstag, 20.10.2018

Ort: Neues Rathaus Leipzig, Ratsplenarsaal, Martin-Luther-Ring 4-6, 04109 Leipzig
(S-Bahn: S1, S2, S3, S4, S5, S5X, S6 bis Wilhelm-Leuschner-Platz, Tram: Linien 2, 8, 9 bis Neues Rathaus, Linien 10, 11 bis Wilhelm-Leuschner-Platz, Bus: Linie 89 bis Neues Rathaus)

Panel IV: Industrie der DDR und ihr Erbe

10:00 Uhr – Sisyphus müht sich zum Weltniveau. Glanzleistungen und Fehlschläge der Leipziger Industrie 1949 – 1990 (Helge-Heinz Heinker)

10:30 Uhr – Elitenwandel und Elitenkontinuitäten in der frühen DDR-Wirtschaft. Analysen Leipziger Unternehmen (Armin Müller)

11:00 Uhr – Der Einfluss der Industrie auf die Umweltsituation in Leipzig im 20. Jahrhundert (Thomas Höpel)

11:30 – 12:00 Uhr – Pause

Panel V: Industrielles Erbe und Industriekultur heute

12:00 Uhr – Industriekultur in Leipzig. Woher? Wohin? (Ulrich Heß)

12:30 Uhr – Industriekultur als kulturpolitisches Handlungsfeld. Perspektiven für Leipzig (Dirk Schaal)

13:00 Uhr – Potenziale einer lebendigen Industriekultur für die Regionalentwicklung und die Stärkung regionaler Identität (Andreas Wust)

13:30 Uhr – Ende der Vortragsveranstaltung

Führung

14:30 – 16:00 Uhr – Plagwitz. Auf den Spuren des Industriezeitalters. Führung, (Heinz Peter Brogiato)

Treffpunkt: Karl-Heine-Denkmal, Käthe-Kollwitz-Straße 115 (am Clara-Zetkin-Park), 04109 Leipzig (Tram: Linie 1 bis Klingerweg)

Maximale Teilnehmerzahl: 20 Personen. Bitte melden Sie sich bis 20.10.2018, 10:00 Uhr, verbindlich an: nora.michalski@leipzig.de

Die Teilnahme ist kostenfrei und ohne Voranmeldung möglich.

Kontakt
Nora Michalski

Stadtarchiv Leipzig, Torgauer Straße 74, 04318 Leipzig
0341 123 3827
nora.michalski@leipzig.de

Leipzig
Veranstaltungsort
Ratsplenarsaal, Neues Rathaus Leipzig, Martin-Luther-Ring 4-6, 04109 Leipzig
Veranstalter
Prof. Dr. Markus A. Denzel, Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Universität Leipzig); Prof. Dr. Susanne Schötz, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (TU Dresden); Stadt Leipzig, Stadtarchiv; Leipziger Geschichtsverein e. V.
Datum
19.10.2018 – 20.10.2018
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