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Kurt-Bürger-Stadion in Wismar

Das Kurt-Bürger-Stadion in Wismar ist etwas ins Abseits geraten. Von dem Glanz früherer Zeiten ist wenig zu spüren, Bauschäden sind unverkennbar und die gewaltigen Kulissen mit Tausenden von Zuschauern sind wohl Geschichte. Dabei ist das 1952 offiziell eröffnete Stadion ein bemerkenswerter Bau aus der Frühzeit der DDR: ein wichtiges Dokument der Wismarer Sportbewegung und der Architektur. Dank seines sinnfälligen Konzeptes hat er alle Ansprüche einigermaßen befriedigen können, auch wenn er heute zu groß geraten scheint.
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Vor 50 Jahren aber hatte das Stadion mit seinen ursprünglich 15.000 Sitzplätzen das richtige Format. Der „unvergeßliche“ Einmarsch der „kraftgestählten Sportler“ sowie der See-, Grenz- und Schutzpolizei in das neue Stadion ließ die etwa 16.000 Zuschauer bei der Eröffnung immer wieder zu Begeisterungsstürmen aufjubeln, schrieb die Ostsee-Zeitung über die Einweihungsfeier am 21. September 1952. Fortwährend hätte man von den Zuschauern hören können: „Dieses schöne Stadion haben wir unserer Regierung zu verdanken, die in jeder Hinsicht für die Gesunderhaltung der Werktätigen und unser Jugend sorgt!“ Noch nie habe Wismar Derartiges besessen. Tatsächlich gab es bald nach dem Krieg in der aufstrebenden Hafenstadt mit der neu aufgebauten Werftindustrie eine gewisse Aufbruchstimmung, die sich bei solchen Festen entlud und die auch für Propaganda missbraucht wurde: „Voller Zuversicht, dass der Aufbau des Sozialismus und die Kräfte des Friedens ständig wachsen, zogen die Sportler, mit Transparenten versehen, auf denen u.a. zu lesen stand: ‚Wir fordern den Organisierung nationaler Streitkräfte‘, durch die Straßen Wismars“, so die Zeitung weiter.
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Grundlage dieser Initiative war eine in den 1920er Jahren in der Stadt entstandene Sportbewegung mit etwa 4000 Sportlern in mehr als 30 Vereinen und Betriebssport-gemeinschaften. Sie hatten ihre Wurzeln schon im 19. Jahrhundert, geht aus der vom StadtSportBund Wismar e.V. erstellten Sportchronik hervor. Kurioserweise spielen die Sportstätten in dieser Chronik und den Berichten der Zeitungen nach der Einweihung fast keine Rolle mehr; sie waren einfach da.
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Das Kurt-Bürger-Stadion an der Bürgermeister-Haupt-Straße liegt städtebaulich reizvoll gegenüber von der Altstadt zwischen dem Niederungsgebiet Lübsche Torweide und dem damals neu entstandenen Stadtteil Wismar Südwest. Es ist zentraler Teil eines Sport- und Erholungsparks nach einer städtebaulichen Konzeption von Hans-Otto Sachs geworden, 1976 um die Volksschwimmhalle westlich davon und 1970 um die Mehrzweckhalle auf der anderen Straßenseite ergänzt. Die nach den Plänen von Otto Schmeier, Ernst Schröder und Gudrun Methfessel (Innendesign) konzipierte Mehrzweckhalle mit 1170 Plätzen (bei Sportveranstaltungen) beziehungsweise 2448 Plätzen (bei Kulturveranstaltungen) ist ein Stahlbeton-Bau mit Stahlfachwerk-Bindern und 36 Metern Spannweite. Er bildet mit seinem streng-modernen Design einen reizvollen Kontrast zum bodenständigen Stadion gegenüber.

Dessen prägendes Material ist der für die Hansestadt typische rote Backstein. Die Gestaltung ist prägnant einfach, erinnert an klassische Vorbilder und die Heimatschutz-Architektur der Zwischenkriegszeit. Das Stadion-Oval mit Spielfeld und Laufbahnen wird von den Wällen der Tribünen umrahmt. Zwei wuchtige Bastionen (eine davon als „Marathon-Tor“ mit einer Durchfahrt) markieren die Enden. Die Längsseite wird von dem leichten Dach der Haupttribüne (mit 500 Sitzplätzen), der eingeschossigen Anlage mit Kassenhäuschen und Nebengebäuden sowie der Treppenanlage zur Straße geprägt. Leider passt der ungestalte Putzbau des später in der Südwest-Ecke erbauten Sportlerheims nicht dazu. Die übrige Anlage dagegen hat auch im Detail eine gefällige Anmutung. Allein deshalb ist sie erhaltenswert. Treibende Kraft für das Projekt war wohl die Leitung der Mathias-Thesen-Werft mit ihrem Technischen Direktor Penning. Auf Grundlage eines Entwurfs der Werft begann der VEB (Z) Projektierung Schwerin mit dem Architekten Krüger im November 1949 mit der Planung, geht aus einer Ratsakte des Stadtarchivs Wismar hervor. Danach war die Jugendheim GmbH (Schwerin) zunächst der eigentliche Auftraggeber, später das Land Mecklenburg. 1950 begannen die in drei Abschnitte aufgeteilten Arbeiten, von Sportlern kräftig unterstützt. So entschieden die Fußballer der BSG Schiffsreparaturwerft, an zwei Tagen pro Woche nach Feierabend für je zweieinhalb Stunden beim Bau des „Werksportstadions“ mitzuhelfen. Auch andere packten ehrenamtlich mit an.

Zunächst musste viel Erde bewegt werden. Und es gab Probleme beim Beschaffen von Großbaugeräten und wegen des schlechten Untergrundes. Dennoch wurde am 30. April 1950 der erste Abschnitt mit einem Fußballspiel der ZSG Anker Wismar (seit 1951 „Motor“) gegen den ETV Eimsbüttel (Hamburg) eingeweiht. Zweieinhalb Jahre später war das nach dem verstorbenen Ministerpräsidenten von Mecklenburg, Kurt Bürger (1894-1951), benannte Stadion fertig. Der ehemalige KPD-Funktionär Bürger alias Karl Wilhelm Ganz war untrennbar mit der demokratischen Sport-bewegung verbunden, schrieb die Ostsee-Zeitung damals und:“Wenn es seine Zeit erlaubte, weilte er unter den Sportlern, um ihre Wünsche und Sorgen entgegenzunehmen.“ Mit Platzkonzert, Leichtathletik-Wettkämpfen, dem Fußballspiel Motor Wismar gegen Chemie Leipzig, Bodenturnen der BSG Motor und Boxkämpfen der BSG Motor gegen Empor Schwerin, Kulturprogramm des Philipp-Müller-Ensembles der Werft sowie einem Feuerwerk wurde das Stadion eingeweiht.

In den folgenden Jahrzehnten war es vor allem Heimat für Fußballer und Leichtathleten. Höhepunkte waren die seit 1965 jedes Jahr auf Kreisebene ausgetragene Kinder- und Jugendspartakiaden. Der Volkssport nahm mit dem Schulsport und den Sportfesten der Werktätigen breiten Raum ein. Aber auch Rad- und Motorsport sowie Kulturveranstaltungen wie ein Konzert der Rockgruppe „Puhdys“ gehörten zum Programm des Stadions. Auch herausragende Athleten kamen aus Wismar: Die Weltrekord-Läuferin Marita Meier-Koch (1985 lief sie 400 Meter in 47,6 Sekunden) zum Beispiel drehte hier ihre ersten Stadion-Runden. Den Besucherrekord brachte ein Feuerwehr-Wettkampf mit 15.000 Zuschauern. Später wurden Teile der Tribünen wegen Baufälligkeit abgebaut, offiziell hat das Stadion heute 5000 Sitz- und 2000 Stehplätze. Und Geld für Sanierungen ist knapp. Nun sind die Fußballer des 1997 gegründeten und im August 2004 in die Oberliga aufgestiegenen FC Anker die Publikums-Magneten. Doch hier werden 1000 Besucher kaum erreicht.

Sven Bardua, Hamburg (Stand: Dezember 2004)

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